Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 177 - Der Kampf zwischen Vasishta und Vishvamitra um Nandini

Arjuna fragte weiter:
Oh Gandharva, warum erhob sich ein Zwist zwischen Vasishta und Vishvamitra, obwohl doch beide in himmlischen Einsiedeleien lebten? Oh, erzähl uns alles darüber.

Der Gandharva antwortete:
Oh Partha, die Geschichte von Vasishta wird in den drei Welten als Purana bezeichnet. Hör mir zu, ich erzähle sie dir in allen Einzelheiten.
Es gab einst in Kanyakuvya einen großen und gefeierten König namens Gadhi, Sohn des Kushika. Der tugendhafte Gadhi hatte einen Sohn mit einer großen Armee, vielen Reittieren und Streitwagen. Das war Vishvamitra, der Zermalmer aller seiner Feinde. Vishvamitra pflegte mit seinen Ministern und dem Heer durch tiefe Wälder und malerische Marschen zu streifen, um Hirsche und wilde Eber zu jagen. Einmal, als er auf der Hirschjagd war, wurde er müde und durstig, und kam darbend in die Einsiedelei des Vasishta. Der gesegnete und ruhmreiche Rishi hieß den Besten der Könige mit allen Ehren willkommen, grüßte ihn, bot Wasser zum Waschen von Gesicht und Füßen an, auch Arghya, wilde Früchte und geklärte Butter. Denn der ruhmreiche Rishi hatte eine Kuh, die ihm alles gab, was er wünschte (eine Kamadhenu). Wenn man sie bat: „Bitte gib.“, dann gab sie alles Gewünschte. Sie gab Früchte und Korn, sowohl wild gewachsen als auch in Gärten oder Feldern gezogen, Milch und andere nahrhafte Getränke, die sechs verschiedenen Säfte, die wie Nektar waren, und viele andere erfreuliche Dinge von ambrosischem Geschmack zum Essen oder Trinken, zum Lutschen oder Schlecken, auch kostbare Edelsteine und Kleidung aller Art. Mit all diesen begehrenswerten Gaben wurde der König reichlich beschenkt und geehrt, so daß er und sein Gefolge höchst entzückt waren. Der Monarch staunte sehr über die Kuh mit den sechs erhabenen Gliedern, wunderschönen Flanken und Hüften, einem feinen und ausladenden Körperbau, großen und glänzenden Augen wie ein Frosch, einem hohen und makellosen Wuchs, runden Eutern, schönem Schwanz, geraden und aufgerichteten Ohren, hübschen Hörnern und wohlgeformtem Hals und Nacken. Der Sohn des Gadhi fand die Kuh namens Nandini außerordentlich, lobte sie sehr und sprach zum Rishi: „Oh Brahmane, großer Muni, gib mir deine Nandini im Tausch gegen zehntausend Kühe oder mein Königreich. Ja, erfreu dich an meinem Reich.“

Vasishta sprach:
Oh du Sündenloser, ich hüte diese Kuh zum Wohle der Götter, Gäste und Ahnen und für meine Opfer. Ich kann dir Nandini nicht geben, nicht einmal für dein Königreich.

Vishvamitra sagte daraufhin:
Ich bin ein Kshatriya, und du ein Brahmane, der sich Studium und Askese hingibt. Wie kann es Widerstand in Brahmanen geben, die immer friedlich sind und ihre Seelen unter vollkommener Kontrolle haben? Wenn du mir die Gewünschte nicht einmal im Austausch für zehntausend Kühe geben willst, dann werde ich meine Art nicht verleugnen. Ich werde dir die Kuh mit Gewalt nehmen.

Da sprach Vasishta:
Du bist ein Kshatriya mit gewaltigen Waffen und der machthabende König. Tue schnell, was du begehrst und denke nicht erst über Anstand nach.

Der Gandharva fuhr fort:
Gewaltsam fing da Vishvamitra die wünscheerfüllende Kuh ein, die wie ein Schwan so weiße Nandini, versuchte sie fortzuführen, zerrte sie hin und her und schlug die Unwillige sogar mit einem Stecken. Mitleidvoll begann da die unschuldige und gesegnete Nandini zu muhen, oh Partha, und rannte zurück zu Vasishta mit erhobenem Kopf. Obwohl sie dafür grausam geschlagen wurde, wollte sie die Einsiedelei des Rishi nicht verlassen. Als Vasishta ihr Elend mit ansah, sprach er zu ihr: „Oh Liebenswerte, du muhst ganz herzzerreißend, und ich höre deine Schreie. Doch Nandini, Vishvamitra nimmt dich mit Gewalt von hier fort. Was kann ich tun? Ich bin ein vergebender Brahmane.“ Voller Angst vor Vishvamitra und seinem Heer drängte sich Nandini noch dichter an den Rishi.

Dann sprach Nandini zu ihm:
Oh du Ruhmreicher, warum bin ich Arme und von den grausamen Truppen Vishvamitras Geschlagene dir so gleichgültig? Warum muß ich mitleidvoll schreien, als ob ich keinen Meister hätte?

Vasishta hörte die Worte der weinenden und geschlagenen Nandini, doch er verlor weder seine Geduld noch verletzte er sein Gelübde der Vergebung. Er antwortete ihr:
Die Macht des Kshatriya liegt in seiner persönlichen Stärke. Die Macht des Brahmanen ist Vergebung. Und weil ich der Vergebung nicht entsagen möchte, entscheide dich, Nandini, wie du möchtest.

Nandini erwiderte:
Oh ruhmreicher Rishi, hast du mich verstoßen, weil du das sagst? Wenn du mich nicht verstößt, oh Brahmane, kann ich von keiner Gewalt weggetrieben werden.

Vasishta sprach:
Ich verstoße dich nicht, du Liebe. Bleib, wenn du kannst. Oh, sieh dein Kalb dort drüben, mit einem dicken Strick gebunden wurde es ganz schwach.

Der Gandharva fuhr fort:
Als die Kuh von Vasishta das Wort: „Bleib.“ vernommen hatte, richtete sie Kopf und Hals hoch auf und wurde schrecklich anzuschauen. Ihre Augen röteten sich vor Zorn, sie muhte unaufhörlich und griff Vishvamitras Truppen von allen Seiten an. Als jene durcheinander liefen und sie mit Stöcken schlugen, vergrößerte das nur ihren Zorn. Sie wurde so furchtbar, wie die Sonne am Mittag. Mit ihrem Schwanz schleuderte sie glühende Kohlen nach allen Seiten. Gleich danach entließ sie eine Armee von Palhavas von ihrem Schwanz. Ihr Euter brachte Dravidas und Shakas hervor. Ihrem Leib entsprangen Yavanas, ihrem Dung Shavaras, ihrem Urin Kanchis und von ihren Flanken noch mehr Sharavanas. Dem Schaum von ihrem Maul entsprangen ganze Armeen von Paundras, Kiratas, Yavanas und Singhalas, ebenso wie die Kriegerstämme der Khasas, Chivukas, Pulindas, Chins, Huns, Keralas und zahllose andere Mlechas. Dieses große Heer war mit Rüstungen und ungezählten Waffen angetan. Sobald es vor den Augen Vishvamitras ins Leben kam, attackierte es die Soldaten des Monarchen. Die kriegerischen Mlechas waren so zahlreich, daß jeder königliche Soldat von Vishvamitra von fünf bis sieben Feinden angegriffen wurde. Von dieser gewaltigen Welle überrollt, brachen Vishvamitras Reihen und die Truppen flohen von Panik getrieben in alle Richtungen davon. Dies alles geschah vor den Augen Vishvamitras. Doch so zornig die Truppen von Nandini und Vasishta auch waren, sie töteten keinen königlichen Soldaten. Nandini sorgte einfach dafür, daß die Armee des Monarchen in die Flucht geschlagen wurde. Ganze siebenundzwanzig Meilen wurden die Soldaten des Königs von der Einsiedelei fortgejagt, welche panisch schrien und keinen Beschützer mehr erkannten. Als Vishvamitra diese wunderliche Tat beobachtete, die aus der Kraft des Brahmanen kam, war er bitter enttäuscht von seiner Macht und sprach: „Oh Schande über Kshatriya Kraft! Nur die Macht eines Brahmanen ist wahre Macht. Wenn ich Stärke und Schwäche gegeneinander abwäge, sehe ich, daß nur Askese wahre Stärke bedeutet.“ Nach diesen Worten entsagte der Monarch seinem großen Reich, wandte allem Glanz und Vergnügen den Rücken, und widmete sich der Askese. Als diese von Erfolg gekrönt war, erfüllte er die drei Welten mit der Hitze seiner Askese, bedrängte (auf seinem Weg) viele Wesen und wurde schließlich zum Brahmanen. Zu guter Letzt trank der Sohn von Kushika sogar mit Indra den Soma Saft.


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