Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 102 - Bhishma raubt die Prinzessinnen von Kasi, Tod des Vichitravirya

Vaisampayana sprach:
Nach dem Tode von Chitrangada folgte ihm Vichitravirya auf dem Throne nach. Und da er anfangs noch ein Kind war, regierte Bhishma das Königreich und stellte sich dabei immer unter Satyavatis Befehle. Nach einiger Zeit stellte Bhishma fest, daß sein Bruder ins Jünglingsalter kam und so beschloß Bhishma, daß er heiraten sollte. Er hatte davon gehört, daß die drei Töchter des Königs von Kasi, welche alle drei wunderschönen Apsaras glichen, in einer Gattenwahl ihre Ehemänner wählen sollten. So begab sich dieser treffliche Wagenkämpfer und Feindebezwinger mit Erlaubnis seiner Mutter mit einem einzigen Streitwagen nach Varanasi. Dort hatten sich zahllose Fürsten und Könige aus allen Ländern versammelt. Bhishma erblickte auch die drei Mädchen, welche sich ihre Gatten wählen sollten. Als die versammelten Könige vorgestellt wurden, beschloß Bhishma, die Mädchen für seinen Bruder zu erwählen. Er trug die Mädchen zu seinem Wagen und sprach mit einer Stimme wie Gewitterdonner zu den anderen Königen.

Bhishma sagte:
Die Weisen sprechen davon, daß eine geschmückte Maid einem Auserwählten übergeben werden kann nebst vielen wertvollen Geschenken in dem Maße, wie es sich der Brautvater leisten kann. Es ist auch möglich, eine Tochter zu übergeben und dafür ein paar Kühe anzunehmen. Oder andere verheiraten ihre Töchter und akzeptieren eine festgesetzte Summe. Und wieder andere erobern sich die Mädchen durch eigene Kraft. So heiraten manche mit dem Einverständnis der Mädchen (z.B. Gattenwahl), andere überreden sie zur Einwilligung, und manche gehen zu den Eltern der Mädchen und gewinnen ihr Einverständnis. Es gibt auch welche, die erhalten Ehefrauen als Geschenk, weil sie bei einem Opfer geholfen haben. Die Gelehrten loben immer diese acht von all den Möglichkeiten der Heirat. Könige sprechen anerkennend über eine Gattenwahl und verheiraten sich gern auf diese Weise. Doch die Weisen sagen, daß die Gattin wahrlich kostbar ist, welche durch eigene Kraft im siegreichen Kampf mit den Gegenspielern der zu einer Gattenwahl eingeladenen Königen und Fürsten heimgeführt wurde. Daher, ihr Monarchen, trage ich diese Mädchen gewaltsam von hier fort. Versucht euer Bestes, mich zu besiegen, oder werdet besiegt! Monarchen, ich stehe hier entschlossen zum Kampf.

So sprach der Kuru Prinz zu den versammelten Königen und dem Monarchen von Kasi und trug die Mädchen zu seinem Wagen. Er setzte sie hinein und trieb den Wagen davon, alle geladenen Könige zur Schlacht fordernd. Jene sprangen auf, schlugen sich auf die Arme und bissen sich wütend auf die Lippen. Und laut war das Getöse, als alle in großer Hast die Ornamente abwarfen und ihre Rüstungen anlegten. Als ihr glitzernder Schmuck davonflog und die Rüstungen blinkten, da schien es, als ob Kometen durch den Himmel zuckten, oh Janamejaya. Mit gerunzelten Stirnen und zornesroten Augen stürmten die Monarchen ungeduldig voran mit lose hängenden Rüstungen und im Takt ihrer schnellen Schritte baumelnden Ornamenten. Die Wagenlenker brachten schnell die schönen Wagen heran und spannten die Pferde vor. Da fuhren die prächtigen Krieger in ihren Wagen los mit allen Arten von erhobenen Waffen und verfolgten den eilenden Kuru Prinzen. Und dann begann eine gräßliche Schlacht zwischen den zahllosen Monarchen auf der einen Seite und dem einzelnen Kuru Krieger auf der anderen. Die Könige schossen zehntausend Pfeile auf einmal auf ihren Feind, doch Bhishma wehrte sie alle schnell ab, bevor sie ihn erreichen konnten. Und seine Pfeile waren so zahllos wie die Haare an einem Körper. Dann umringten ihn die Könige, und es regnete von allen Seiten Pfeile auf ihn, als ob Unmengen von Wolken sich an einem Berg abregnen. Doch Bhishma versperrte mit seinen Geschossen allen gegnerischen Pfeilen den Weg und durchbohrte jeden Monarchen mit drei Pfeilen. Doch diese schossen auf Bhishma jeweils fünf Pfeile ab. Die trafen nicht, denn Bhishma stoppte sie mit seiner heldenhaften Macht und schoß selber auf jeden kämpfenden König zwei weitere Pfeile ab. Die Schlacht wurde so heftig mit diesen dichten Schauern von allen Arten an Geschossen, daß es aussah wie damals, als die Götter mit den Dämonen kämpften und mutige Männer schon beim Anblick mit Furcht geschlagen wurden. Bhishma schnitt mit seinen Pfeilen Bögen, Fahnenstangen, Rüstungen und königliche Häupter zu hunderten und tausenden auf dem Schlachtfeld entzwei. Seine heroische Macht, die Leichtigkeit seiner Hand und sein Geschick, sich selbst zu beschützen, waren so furchterregend und wunderbar, daß die beteiligten Wagenkrieger, obwohl sie gegeneinander kämpften, ihm laut zu applaudieren begannen. So besiegte dieser Beste von allen Waffenträgern im Kampf alle diese Monarchen, und nahm seinen Weg nach Hastinapura wieder auf, die Mädchen mit sich führend.

Doch da, oh König, rief der mächtige Wagenkrieger Shalya, dieser König von unermeßlichem Heldentum, den Bhishma von hinten zum Kampf. Um die Mädchen zu gewinnen stürmte er hinter Bhishma her wie ein gewaltiger Elefantenbulle, der dem Gegner für eine bereite Elefantenkuh mit seinen Stoßzähnen die Seiten aufreißt. Zornig rief Shalya mit den mächtigen Armen zu Bhishma: „Halt an! Halt an!“ Auch in Bhishma, diesem Tiger unter den Männern und Vernichter von feindlichen Heeren, riefen diese Worte hell lodernden Zorn hervor. Nach Kshatriya Brauch hielt er den Wagen an, stand mit dem Bogen in der Hand und der Stirn in Falten bereit und erwartete den Feind. Alle Monarchen, die sahen, wie er den Wagen anhielt, blieben auch stehen, um den kommenden Kampf zwischen ihm und Shalya zu beobachten. Und die beiden begannen ihre Stärke zu zeigen, wie zwei kraftvolle, brüllende Bullen für eine empfängnisbereite Kuh. Dieser Beste der Männer, Shalya, deckte Bhishma, den Sohn von Shantanu, mit hunderten und tausenden schnellgeflügelter Pfeile ein. Als dies die Beobachter sahen, staunten sie sehr und schrien Beifall. Die Menge der Könige sah die Leichtigkeit seiner Hand in der Schlacht, bewunderte ihn sehr und applaudierte dem Shalya heftig. Doch als Bhishma, dieser Vernichter von feindlichen Armeen, diese Jubelschreie der Kshatriyas hörte, wurde er sehr ärgerlich und rief: „Stop! Stop!“ Und dann zornig zu seinem Wagenlenker: „Lenke den Wagen dahin, wo Shalya ist. Ich werde ihn sofort packen wie Garuda eine Schlange.“ Danach legte Bhishma die Varuna Waffe auf seine Bogensehne und tötete mit ihr die vier Pferde von König Shalya. Dann wehrte dieser Kuru Anführer mit seinen Waffen die Geschosse seines Feindes ab und tötete dessen Wagenlenker. Und Bhishma kämpfte weiter um die Damen und tötete mit der Indra Waffe die anderen edlen Pferde seines Gegners. Dann besiegte er diesen Besten der Monarchen, doch ließ ihn am Leben. Nach seiner Niederlage kehrte Shalya in sein Königreich zurück und regierte es weiterhin tugendhaft. Und auch die anderen Könige, die zur Gattenwahl gekommen waren, kehrten nun in ihre Königreiche heim.

Nun fuhr dieser Beste aller Kämpfer nach seinem Sieg über die Monarchen nach Hastinapura zurück, wo der tugendhafte Vichitravirya über die Erde herrschte wie sein Vater Shantanu. Er durchquerte viele Wälder, Flüsse und Berge und erreichte die Kuru Hauptstadt in kürzester Zeit. Fürsorglich brachte der unermeßlich mächtige Schlachtenkrieger die Töchter des Königs von Kasi zu den Kurus, als wären sie seine Töchter, Schwiegertöchter oder jüngeren Schwestern, ohne einen einzigen Kratzer am eigenen Leib, obwohl er zahllose Feinde in der Schlacht getötet hatte. Mit dem Wunsch, seinem Bruder Gutes zu tun, stellte Bhishma mit den mächtigen Armen die schönen Mädchen dem Vichitravirya vor. Nach dieser außerordentlichen Tat nach königlichem Brauch und gemäß dem Gebot der Tugend begann er dann mit den Hochzeitsvorbereitungen für seinen Bruder. In Absprache mit Satyavati war schon alles für die Hochzeit vorbereitet, als die älteste Tochter des Königs von Kasi sich mit einem sanften Lächeln an Bhishma wandte: „Ich hatte in meinem Herzen schon den König von Sauva zum Ehemann gewählt. Und er hatte mich in seinem Herzen als Gattin angenommen. Dem hatte auch unser Vater zugestimmt. In der Gattenwahl wollte ich ihn zu meinem Herrn erwählen. Du bist vertraut mit allen Geboten der Tugend. Du weißt jetzt alles. Tu, wie es dir beliebt.“ Die Maid hatte zu Bhishma in Anwesenheit von Brahmanen gesprochen und der heldenhafte Bhishma dachte darüber nach, was zu tun sei. Der Tugendhafte beriet sich mit den vedenkundigen Brahmanen, und erlaubte Amba, der ältesten Tochter, zu tun, was sie wünschte. Doch mit den angemessenen Riten übergab er die beiden anderen Töchter, Ambika und Ambalika, seinem jüngeren Bruder Vichitravirya.

Und obwohl Vichitravirya tugendhaft und mäßig war, war er doch stolz auf seine Jugend und Schönheit und wurde schon bald nach seine Hochzeit lüstern. Die beiden Mädchen Ambika und Ambalika waren hochgewachsen und hatten eine Haut wie erhitztes Gold. Ihre Häupter waren mit schwarzem, lockigem Haar bedeckt, und ihre Fingernägel waren rot und lang. Ihre Hüften waren rund und schön, ihre Brüste voll und straff. Sie trugen alle glücksverheißenden Zeichen an sich. Und die liebenswerten jungen Damen betrachteten sich als äußerst würdig vermählt. So liebten und achteten sie Vichitravirya sehr. Auch Vichitravirya war mit dem Heldenmut der Himmlischen und der Schönheit der Aswins gesegnet, und konnte das Herz jeder schönen Frau stehlen. So verbrachte der Prinz ganze sieben Jahre ununterbrochen in Gesellschaft seiner beiden Frauen und wurde noch in der Blüte seiner Jugend von der Schwindsucht ergriffen. Freunde und Verwandte versuchten miteinander alles, ihn zu heilen. Doch trotz aller Bemühungen starb der Kuru Prinz wie die untergehende Sonne. Und Bhishma versank in Trauer und Sorge. In Absprache mit Satyavati ließ er die Beerdigungsriten für den Verstorbenen von gelehrten Priestern und vielen Älteren der Kuru Familie durchführen.


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