Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 71 - Dushmanta begegnet Shakuntala

Vaisampayana sprach:
Der König ließ sogar seine beiden Begleiter zurück und betrat allein die Einsiedelei des Kanwa. Doch nirgends konnte er den Rishi Kanwa entdecken und alles war leer. Laut rief er: „Ist hier jemand?“, und das Echo seiner Stimme schallte aus dem Wald wieder zurück. Da trat aus dem Heim des Rishi ein wunderschönes, Shri gleichendes Mädchen heraus in der Kleidung der Asketen. Sogleich, als die schöne, schwarzäugige Maid König Dushmanta entdeckt hatte, hieß sie ihn willkommen und empfing ihn voller Verehrung. Sie bot ihm einen Sitz an, Wasser zum Waschen der Füße und Arghya und erkundigte sich nach der Gesundheit des Monarchen und seinem Frieden. Danach fragte sie ehrfürchtig: „Was soll getan werden, oh König? Ich erwarte deine Befehle.“ Der solcherart geehrte König antwortete der Maid mit dem makellosen Antlitz und der lieblichen Rede: „Ich kam, um den höchst gesegneten Rishi Kanwa zu verehren. Sag mir, du liebenswerte Schöne, wohin ist der Ruhmreiche gegangen?“ Und Shakuntala erwiderte: „Mein ruhmreicher Vater verließ die Einsiedelei, um Früchte zu sammeln. Warte nur eine Weile, und du wirst ihm begegnen, wenn er wiederkommt.“

Vaisampayana fuhr fort:
Als nun der König den Rishi nirgends entdeckte, betrachtete er das außerordentlich schöne Mädchen mit der ebenmäßigen Figur. Sie hatte ein süßes Lächeln, war in der Blüte ihrer Jugend und geschmückt mit der Schönheit ihrer makellosen Glieder, ihrer asketischen Buße und ihrer Demut. Er fragte sie: „Wer bist du? Und wessen Tochter, du Schöne? Warum kamst du in diese Wälder? Oh du Hübsche, du bist mit so viel Schönheit und Tugend gesegnet, woher kamst du? Du Bezaubernde, auf dem ersten Blick hast du mein Herz gestohlen. Ich möchte alles über dich erfahren, erzähl mir nun auch alles.“ Lächelnd erwiderte das Mädchen mit süßen Worten: „Oh König Dushmanta, ich bin die Tochter des tugendhaften, weisen, hochbeseelten und ruhmreichen Kanwa.“ Doch Dushmanta meinte auf ihre Worte: „Der in aller Welt verehrte und hochgesegnete Rishi ist einer von denen, die ihren Samen zurückhalten und ihre sexuellen Leidenschaften vollständig kontrollieren. Vielleicht mag Dharma von seinem Kurs abkommen, doch niemals ein Asket der strengen Gelübde. Oh du mit dem schönsten Gesicht, wie kam es, daß du als seine Tochter geboren wurdest? Zerstreue diesen großen Zweifel in meinem Geist.“

Und Shakuntala sprach:
Höre, oh König, was ich einst über mich erfuhr, was mir einst geschah und wie ich die Tochter des Muni wurde. Einmal kam ein Rishi zu uns und befragte Kanwa nach meiner Geburt. Höre also, oh König, was Kanwa ihm erzählte:
Vor langer Zeit war Vishvamitra in so schwere Buße versunken, daß Indra alarmiert dachte, der mächtige Asket wolle ihn mit lodernder Energie vom himmlischen Thron stoßen. Der Herr der Götter rief Menaka zu sich und sprach zu ihr: „Du, Menaka, bist die Erste der himmlischen Apsaras. Erweise mir daher einen Dienst, du Liebenswerte. Höre, was ich sage. Der große Asket Vishvamitra gleicht der Sonne an Glanz und führt die schwerste Buße aus. Das läßt mein Herz in Angst erzittern. Dies ist wahrlich eine Aufgabe für dich, du mit der schlanken Taille. Du mußt zu Vishvamitra gehen, dessen Seele ganz in Kontemplation und strengste Buße gehüllt ist, und der mich vielleicht von meinem Thron stürzen will. Geh und verführe ihn. Störe seine andauernde Enthaltsamkeit und tue mir Gutes damit. Führe ihn von seine Buße fort und gewinne ihn, du Bezaubernde, mit deiner Schönheit, Jugend, Liebenswürdigkeit, deinen Künsten, deinem Lächeln und deiner Rede.“ Menaka hörte all dies und erwiderte: „Der ruhmreiche Vishvamitra verfügt über große Kräfte und ist ein mächtiger Asket. Auch ist er aufbrausend, wie dir bekannt ist. Seine Energie, Buße und sein Zorn haben sogar dich ängstlich gemacht. Warum sollte ich mich nicht fürchten? Er ist es, der sogar den ruhmreichen Vasishta die Schmerzen über den frühen Tod seiner Söhne spüren ließ. Er ist es, der zwar als Kshatriya geboren, doch später zum Brahmanen wurde durch die Kraft seiner Askese. Er ist es, der für seine Waschungen eine tiefen und heiligen Fluß erschuf, der mit seinen starken Strömungen kaum zu durchwaten und unter dem Namen Kausiki bekannt ist. Es war die Gattin Vishvamitras, welche während einer Hungersnot von Matanga (Trisanku) ernährt wurde, der wiederum, unter einem Fluch leidend, damals als Jäger lebte. Als Vishvamitra nach der Hungersnot in seine Einsiedelei zurückkehrte, änderte er den Namen des Flusses in Para (vorüber) und war Matanga sehr dankbar für seinen Dienst. Er selbst wurde Matangas Opferpriester. Du selbst, der König der Himmlischen, gingest aus Furcht zu diesem Opfer und trankst Soma Saft. Es war Vishvamitra, der aus Zorn eine zweite Welt erschuf mit zahllosen Sternen beginnend bei Sravana. Er ist es, der Trisanku Schutz gewährte, als er unter dem Fluch seines Lehrers litt.

Ich fürchte mich, solch einem Tatenvollen zu begegnen. Sag mir Indra, welche Mittel ich anwenden soll, so daß sein Zorn mich nicht verbrennt. Denn er kann mit seinem Glanz die drei Welten vernichten und die Erde erbeben lassen, wenn er mit dem Fuß aufstampft. Er kann den großen Meru vom Boden abtrennen und ihn weit weg werfen. Er kann in einem Augenblick auf allen zehn Richtungen die Erde umrunden. Wie kann eine Frau wie ich solch einen voller asketischer Tugenden nur berühren, der wie das lodernde Feuer ist und seine Leidenschaften unter vollständiger Kontrolle hat? Sein Mund ist so heiß wie das Feuer. Die Pupillen seiner Augen sind wie Sonne und Mond. Und seine Zunge gleicht Yama. Wie kann ich, oh Herr der Himmlischen, eine Frau, es wagen, ihn zu berühren? Wenn sie nur an seine Macht denken, sind Yama, Soma, die großen Rishis, die Sadhyas, Viswas und Valakhilyas verängstigt. Wie kann eine Frau wie ich ihn ansehen ohne Angst? Nun, auf deinen Befehl hin, oh König der Himmlischen, werde ich dem Rishi wohl entgegentreten. Doch weise du einen Plan an, durch den ich dem Rishi sicher begegnen kann und von dir beschützt werde.

Ich denke, wenn ich mich in der Nähe des Rishi aufhalte, sollte Maruta (der Windgott) anwesend sein und mich meiner Kleider berauben. Und Manmatha (der Gott der Liebe) soll auf deinen Befehl mir helfen. Laß auch Maruta süße Düfte vom Wald herüberwehen und den Rishi damit verführen.“ Nachdem sie dies ausgesprochen und sich davon überzeugt hatte, daß alles wohl vorbereitet war, begab sich Menaka zur Einsiedelei des großen Vishvamitra.


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